Die Kirchensteuer – Eine gute Investition
Da ist er – Lenas erster Lohnzettel im neuen Job! Vor kurzem hat sie ihre Ausbildung abgeschlossen, jetzt ist das erste volle Gehalt eingegangen. Was ein gutes Gefühl! Interessiert schaut sich Lena die Zah-len an: Steuerpflichtiges Brutto, steuerfreies Brutto, Lohnsteuer … Bei der Zeile „Kirchensteuer“ stockt sie. Es ist nicht übermäßig viel, was abgezogen wird, aber trotzdem trübt es ein bisschen Lenas Stim-mung. Sie ist in der Gemeinde nicht aktiv, geht nur an Heiligabend in den Gottesdienst. Also: Wofür zahlt sie diese Kirchensteuer?
Website zu Kirchensteuer
Die Frage nach dem Wofür lässt Lena nicht mehr los. Sie durchsucht Websites, schaut sich Videos auf YouTube an. Nach einer Weile landet sie auch auf der Website „Kirchensteuer wirkt! Erstaunlich. Erleb-bar. Evangelisch.“ – die macht doch einen seriösen Eindruck. Sie überfliegt einige Grafiken, liest hier und da in Texte rein, schaut sich Videos an. Ihr wird klar, dass die Kirchensteuer für die Finanzierung der kirchlichen Arbeit unerlässlich ist; und dass diese nicht an den Rändern ihrer Kirchengemeinde aufhört. Weltweites Engagement, Bildung, Diakonie – diese Bereiche hat sie bisher nie mit der Kirchensteuer in Verbindung gebracht. Lena muss lächeln; es freut sie, dass sie mit ihrer Zahlung eine stabile Finanzie-rung von zahlreichen Angeboten und Einrichtungen ermöglicht.
Welche Bereiche wie viel Kirchensteuer erhalten, entscheidet jeweils die Landeskirche. Die Grafik zeigt, wie sich deren Verwen-dung in etwa aufteilt. |
Knapp 1 Prozent des Einkommens
Unter dem Menüpunkt „Rechner“ macht Lena noch eine Entdeckung: Ihre Kirchensteuer wird bei der Steuererklärung wieder angerechnet; das wusste sie gar nicht. Das heißt, sie bekommt Geld zurück und zahlt somit weniger als das, was ihr Lohnzettel angibt. Bei ihrem Gehalt macht der endgültige Beitrag nicht einmal 1 Prozent aus.
Keine freien Vermögen
Dennoch stellt Lena sich die Frage: Ist die evangelische Kirche wirklich auf ihr Geld angewiesen? Oder könnte sie nicht erst einmal angehäufte Schätze einsetzen? Auch auf diese Frage findet Lena eine Ant-wort, die sie ziemlich überrascht: Die evangelische Kirche verfügt gar nicht über freie „Goldtöpfe“, dank derer sie größere Investitionen tätigen könnte. Reich ist sie vor allem an Gebäuden, die sie aufwendig erhalten und klimatisch sanieren muss. Und an Vorsorgevermögen, was unter anderem für die Pension der Pfarrerinnen und Pfarrer reserviert ist. Von freien Mitteln – keine Spur. Selbst bei größeren Sanie-rungen am Kirchendach geht es schon ans Spendensammeln.
Eigenmittel bei staatlichen Aufgaben
Umso mehr Lena liest, desto klarer wird ihr, wie wenig sie über die kirchlichen Finanzen und die Arbeit der evangelischen Kirche weiß. Sie dachte bisher, dass alle evangelischen Kitas vom Staat finanziert werden. Nun geht aus einem Video aber hervor, dass dort ziemlich viele Eigenmittel der Kirche reinflie-ßen – wie auch bei Sozialstationen oder anderen kirchlichen Einrichtungen, die staatliche Aufgaben übernehmen. Die evangelische Kirche investiert also Kirchensteuer in Bereiche, die der gesamten Ge-sellschaft zugutekommen. Das findet Lena ziemlich gut; denn irgendwie nützt es dann doch auch ihr.
Dank der neuen Website hatte Lena einige Aha-Erlebnisse. Ihr Resümee: Die Kirchensteuer scheint ziem-lich gut investiert zu sein!
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Die evangelische Kirche finanziert sich vor allem aus Kirchensteuern. Sie werden ausschließlich von den Kirchenmitgliedern gezahlt und ermöglichen das kirchliche Wirken in der Gesellschaft. Zusätzlich bekommt die Kirche sogenannte Staatsleistungen. Diese erhält sie, da der Staat die Kirchen – evangelisch wie katholisch – enteignet hat. Dies geschah zwischen der Reformation und dem Ende der napoleonischen Kriege, also dem 16. und 19. Jahrhundert. Immer wieder sind die Staatsleistungen im Gespräch; dann geht es um deren Ablösung.
Historische Hintergründe
In der evangelischen Kirche gehen die Enteignungen bis zur Reformation 1517 zurück. Viele Fürsten oder Herzöge führten damals die protestantische (evangelische) Kirche in ihrem Land ein; und setzten sich selbst an deren Spitze. Dadurch erhielten sie Zugriff auf Kirchengüter, die in evangelischem Besitz waren. Sie führten neue Verwaltungen ein, vielerorts als „Gemeiner Kasten“ bekannt, und setzten einen Kirchenrat ein, der sie zentral verwaltete. Nun hatte der Kirchenkasten eigentlich eine Zweckbindung: Er sollte nur für Ausgaben aufkommen, die im kirchlichen Sinne waren. Und doch wurden mit der Zeit immer mehr außerkirchliche Angelegenheiten durch ihn finanziert, wie der Hofstaat, die Jägerei oder der Bau neuer Schlösser. Jahr für Jahr verschmolzen die kirchliche und staatliche Verwaltung immer weiter und kirchlicher Besitz ging in staatlichen Besitz über. Das gilt vor allem für Klöster und Stifte, die für die protestantischen Landesherren ausschließlich eine finanzielle Bedeutung hatten.
Auf katholischer Seite wiederum vollzog sich die Enteignung vor allem im 19. Jahrhundert. In den Napoleonischen Kriegen fielen Territorien links des Rheins an Frankreich. Dadurch erlitten vor allem Preußen, Baden und Württemberg erhebliche Gebietsverluste. Die dortigen Fürsten verlangten eine Entschädigung vom „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“ – und der Blick fiel auf die kirchlichen Besitztümer. Die Kirchen wurden enteignet und ihre Ländereien den geschädigten Fürsten zugesprochen.
Festgehalten wurden die Enteignungen im Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Er legte auch die Zahlung von Ersatzleistungen fest, die von nun an der katholischen und auch der evangelischen Kirche zukommen sollten; das sind die sogenannten Staatsleistungen. Seit rund 200 Jahren werden sie vom Staat – dem Rechtsnachfolger der Fürstentümer – an die Kirchen gezahlt. Sie gleichen den Verlust der Erträge aus und sichern die kirchliche Arbeit.
Ablösung laut Grundgesetz
Mit der Weimarer Reichsverfassung wurde 1919 die Trennung von Staat und Kirche festgeschrieben. In diesem Zuge wurden auch die Staatsleistungen hinterfragt – und eine Ablösung in Artikel 138 aufgenommen. Der Artikel gelangte 30 Jahre später in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland; die Ablösung der Staatsleistungen ist somit seit 1949 Verfassungsauftrag. Doch bisher hat sich der Staat dieses Auftrags nicht angenommen.
Die derzeitige Bundesregierung möchte dies ändern und die Ablösung klären. Die evangelische Kirche befürwortet die Bestrebungen der Bundesregierung. Bei der Ablösung ist ihr wichtig, dass die Vielfalt der kirchlichen Arbeit bestehen bleiben kann. Maßstab dafür ist das sogenannte Äquivalenzprinzip. Das bedeutet: Die Kirchen müssen durch die Ablösung in die Lage versetzt werden, alle Aufgaben, die bisher durch Staatsleistungen gedeckt waren, selbst weiter zu finanzieren. Das wäre möglich, indem der Staat den Kirchen eine Summe zahlt, die ausreicht, um Erträge in derselben Höhe zu generieren. Die Kirchen könnten das Geld anlegen und die Zinsen nutzen. Oder sich neuen Grundbesitz kaufen, dessen Erträge die Versorgung sicherstellen. Das könnten heute „moderne“ Besitztümer wie Windkraftanlagen oder Solarparks sein.
Einsatz der Staatsleistungen
Die Bundesländer (ausgenommen Bremen und Hamburg) zahlen rund 320 Millionen Euro pro Jahr an die evangelische Kirche (Stand 2021). Damit deckt die Kirche zum einen Personalkosten, um kirchliche Angebote wie Gottesdienste, Taufen, Beerdigungen, Trauungen und Seelsorge zu ermöglichen. Zum anderen fließen diese Mittel in Einrichtungen und Dienste der evangelischen Kirche, die Angebote für alle Bürgerinnen und Bürger bereithalten; beispielsweise Kitas, Jugendarbeit, Bildungseinrichtungen und Beratungsstellen.
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